Rudolf Steiner war ein Mann der Öffentlichkeit. Er lebte und wirkte in seiner Zeit mit einer Energie und Intensität, die alle Grenzen des Gewöhnlichen sprengten. Begeisterung und Befremdung polarisierten seine Zuhörer; kalt jedoch ließ er keinen.
An Anekdoten und Memoiren von anthroposophischer Seite mangelt es nicht. Wie aufmerksam ihn aber auch seine übrigen Zeitgenossen wahrnahmen, ist kaum bekannt. Diese Lücke schließt die vorliegende Anthologie mit über 70 weitgehend unbekannten Augenzeugenberichten und Schilderungen von Schriftstellern, Publizisten, Künstlern und anderen Menschen, die Steiner begegnet sind, ohne sich – von ganz wenigen Ausnahmen abgesehen – seiner Bewegung anzuschließen.
So ergibt sich eine faszinierende, knapp und sachkundig kommentierte Dokumentation, die Steiner facettenreich porträtiert. Das Buch, das auch etliche Interviews sowie Satiren und Karikaturen enthält, liefert einen erfrischenden Forschungsbeitrag zu einem vielschichtigeren Verständnis von Steiners Werk und Wirkung aus der Sicht seiner Zeitgenossen.
Als ich ihn in den neunziger Jahren in Weimar kennenlernte…war er uns Jüngeren besonders teuer durch seine schöne Respektlosigkeit, mit der er sich über alles äußerte, was an der Ilm heilig war, über die Stadt, die Bürger, den Hof, die gelehrten Herren Kollegen, die ehrwürdigen Traditionen und, mit gebührendem Abstand, auch über Goethe selbst. Zugleich war er der liebenswürdigste, witzigste und anregendste Kamerad am Kneiptisch, eine Eigenschaft Steiners, die wir gewissenhaft studierten.
Max Osborn