Vor rund 100 Jahren hielt Rudolf Steiner Vorträge, in denen er Bewusstseinserfahrungen nach dem Tode darstellte. Wie kann das sein? Wie sollen Beschreibungen über Dinge möglich sein, die erst nach dem Tod eintreten? Ist die Grenze zwischen „hier“ und „dort“ nicht unüberwindlich?
Durch das Aufkommen der sogenannten Nahtodeserfahrungen in den letzten Jahren scheint anstelle einer mutmaßlichen Unüberwindlichkeit ein abgestufter Grenzbereich zwischen Leben und Tod sichtbar zu werden: Erfahrungen von Betroffenen in einer Fülle und in einem Grad an Übereinstimmung, dass sie sich nicht als bloße Einbildungen abtun lassen.
Wenn wir dieses Heft dem Phänomen der Nahtodeserfahrungen widmen, haben wir das unter dem provokanten Titel getan „Niemals sterben“. Gleichzeitig sind wir uns darüber im Klaren, dass wir bei aller Faszination hier nicht ins Schwärmen geraten wollen, sondern uns bewusst bleiben, dass der Tod immer auch etwas Endgültiges behält, denn er markiert das Vergänglich-Sein eines persönlichen Menschen, dessen irdischer Weg unwiderruflich zu Ende ist – und das ist meist schmerzlich.
Ebenfalls im Klaren sind wir uns darüber, dass die wichtigste Konsequenz der Nahtodeserfahrungen nicht allein in der persönlich vielleicht tröstlichen Perspektive besteht, als Bewusstseinswesen nach dem Tod weiterzuexistieren. Darüber hinaus provozieren sie zu der Frage, wie sich ein Kosmos denken lässt, in dem Bewusstsein auch ohne materielles Gegenstück bestehen kann.
Wenn Nahtodeserfahrungen mehr als spektakuläre Esoterik sein sollen, dann verlangen sie nach der Einbettung in ein komplett anderes Weltbild, als es der naturwissenschaftliche Materialismus bietet. Hier stehen wir erst ganz am Anfang – aber gerade im Werk Steiners gibt es vielfältige Bausteine dafür.